Wissenschaft

Neuer Katalysator-Ansatz verknüpft Vorteile aus zwei Welten

Der neuartige Katalysator-Ansatz verbindet das Beste aus zwei Welten, nämlich der homogenen und der heterognen Katalyse. Wie eine Tennisball-Maschine beschleunigt er den Prozess der Freisetzung von Wasserstoff aus dem Träger Ameisensäure. Die Reaktion findet kontinuierlich und unverändert statt. Das ist der Fall, weil das reaktive Zentrum, das Iridium – hier als gelbe Kugel dargestellt –, in eine feste Struktur eingebaut ist und deswegen sauber von den Reaktionspartnern abgetrennt und so wiederverwertet werden kann. Grafik: Forschungszentrum/aligator-kommunikation

Ein Team des Forschungszentrums Jülich und der RWTH Aachen University hat einen neuartigen Ansatz für einen Katalysator entwickelt, der die Vorteile der beiden meistgenutzten Katalysemethoden kombiniert. Der neue Katalysator-Ansatz basiert auf dem Metall Iridium und erreichte im Labor eine fünfmal höhere Aktivität als bisherige Referenzsysteme – bei gleichzeitig hoher Stabilität über mehrere Tage. Beides gleichzeitig – sehr aktiv und langfristig stabil – galt bislang als schwer vereinbar. Die gewonnenen Ergebnisse können dazu beitragen, die Effizienz des hochaktiven, aber teuren Katalysatormaterials Iridium weiter zu steigern und damit den Einsatz von grünem Wasserstoff als klimafreundlichem Energiespeicher entscheidend voranzubringen. Das Team hat seine Ergebnisse im renommierten Journal ESS Catalysis der Royal Society of Chemistry veröffentlicht.

Grüner Wasserstoff spielt als Energiespeicher eine wichtige Rolle im klimafreundlichen Energiesystem der Zukunft. Damit er genutzt werden kann, muss er effizient gespeichert, transportiert und bei Bedarf wieder freigesetzt werden. Eine zentrale Herausforderung dabei ist, das leichtflüchtige Gas so einfach wie möglich nutzbar zu machen. Trägersubstanzen wie Ammoniak, Methanol, Ameisensäure und verwandte Moleküle kommen dafür infrage. Damit der Wasserstoff in diese Moleküle eingebunden und aus ihnen wieder herausgelöst werden kann, sind Katalysatoren notwendig: Sie beschleunigen die notwendigen Reaktionen oder machen sie überhaupt erst möglich beziehungsweise wirtschaftlich attraktiv..

Homogene und heterogene Katalyse: eine Synthese zweier Prinzipien

Die Neuheit des Jülich-Aachener Ansatzes liegt in der Kombination zweier Katalysewelten: der homogenen und der heterogenen Katalyse. Eine homogene Katalyse findet statt, wenn der Katalysator und das reagierende Element, der sogenannte Reaktand, in der gleichen Phase vorliegen. Beispielsweise sind beide gasförmig oder flüssig.

Bei der heterogenen Katalyse ist der Katalysator ein Feststoff und das mit ihm reagierende Element liegt gasförmig oder flüssig vor. Die Vorteile der heterogenen Katalyse: Katalysator und Reaktand können sauber und einfach voneinander getrennt werden. Das reduziert die Kosten. Homogene Katalyse hat dagegen das Potenzial, aktiver und selektiver zu sein, weil alle Atome des Katalysatormaterials aktiv sein können. Zudem lässt sich der Katalysator präzise gestalten – seine Struktur und chemische Umgebung können gezielt für eine bestimmte Reaktion maßgeschneidert werden. In einem Festkörper dagegen sind die Atome innerhalb des Nanopartikels inaktiv, da sie nicht mit den Reaktanden in Berührung kommen.

Normalerweise hat das Team aus dem Bereich Katalysatormaterialien (INW-2) des Jülicher Instituts für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft und des Aachener Lehrstuhls für Heterogene Katalyse und Technische Chemie die heterogene Katalyse als Schwerpunkt. „Mit dem neuen Katalysator haben wir versucht, das Beste aus der anderen Welt, also der homogenen Katalyse, für unsere Welt zu nutzen“, beschreibt Prof. Regina Palkovits, die den Aachener Lehrstuhl und das Jülicher Institut leitet.

Sehr aktiv und gut abtrennbar

Eine zentrale Rolle spielt dabei Terpyridin – ein Molekül, das Metallatome wie beispielsweise Iridium fest an sich bindet. Für die Forschenden aus Jülich und Aachen war entscheidend, die Terpyridin-Struktur, die Iridium sehr stabil binden kann, in ein Polymer zu integrieren. Ein Polymer ist eine chemische Verbindung, die aus vielen kleinen, sich wiederholenden Bausteinen besteht. Das Resultat ist ein sogenannter Solid Molecular Catalyst (SMC), also ein fester, molekular definierter Katalysator. „So kann das Iridium wie in der heterogenen Katalyse vom Reaktanden abgetrennt werden, in diesem Fall als Bestandteil des Terpyridin-Polymers“, erklärt Keanu Birkelbach, der Erstautor der Veröffentlichung. „Gleichzeitig bildet jedes Iridium-Atom im SMC ein katalytisch aktives Zentrum, wie es in der homogenen Katalyse der Fall ist.“  Dieses Zusammenkommen von höherer Aktivität und besserer Abtrennbarkeit ist neu. Das Iridium kann effizienter eingesetzt und zudem wiederverwertet werden.  Angesichts des hohen Weltmarktpreises ergibt sich so großes Einsparpotenzial. Iridium ist aktuell rund 50 Prozent teurer als Gold.

Nächste Schritte: Skalierung und Materialalternativen

Weitere Schritte können laut Keanu Birkelbach das Hochskalieren des Reaktors über den Labormaßstab hinaus sein sowie das Ersetzen des teuren Iridiums mit einem günstigeren, katalytisch aktiven Metall. Zudem könnten weitere Wasserstoff-Trägermoleküle getestet werden. Im Labor hatte das Team aus Jülich und Aachen Wasserstoff mithilfe des molekular definierten Iridium-Katalysators aus Ameisensäure freigesetzt.

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