Strukturwandel

„Einfach mal machen“

Eine Gesprächsrunde auf einem Nenner: Einfach mal machen. Moderator Stephan Schneider (von links), Dr. Simon Hahn, Lars Redeligx und Prof. Peter Wasserscheid. Foto: Forschungszentrum Jülich/Jansen

Ein Satz fiel in verschiedenen Varianten immer wieder beim 3. Tag des Wasserstoffs, den der Wasserstoff-Hub Rhein-Kreis Neuss/Rheinland ausgerichtet hat. „Wir müssen einfach mal machen.“ Ausgesprochen hat ihn unter anderem Jutta Zülow, Hausherrin des Veranstaltungsortes Gut Gnadental in Neuss und Gründerin des Wasserstoff-Hubs.

In ihrer Ansprache betonte sie diesen Satz besonders energisch und erhielt dafür Szenenapplaus. Ins Machen kommen und gute Ideen in die Anwendungen bringen – das ist das, was schnell passieren muss. Da waren sich auch die Experten einig, die an der Gesprächsrunde des Abends teilnahmen.

Aus dem Mund von Prof. Peter Wasserscheid, dem Sprecher des Helmholtz-Clusters Wasserstoff (HC-H2), das vom Forschungszentrum Jülich aus koordiniert wird, klang das so: „Wir machen es uns besonders schwer, weil wir es besonders gut machen wollen.“ Damit sprach der Experte, der auch dem Beirat des Hubs angehört, vor allem das Thema Regulatorik an. Die sei einer der Gründe dafür, warum die Menge an aktuell produziertem grünem Wasserstoff höher sein könnte. „Wasserstoff ist nur dann grün, wenn der Windpark, der den Elektrolyseur mit Strom versorgt, nur dafür gebaut worden ist und wenn der Strom aus diesem Windpark nur zu dieser Stunde gewonnen worden ist, in der mit ihm grüner Wasserstoff produziert wird“, sprach Prof. Peter Wasserscheid über das Problem des Etiketts „grün“. „Grüner Wasserstoff könnte heute schon halb so teuer sein, wenn es reicht, dass wir grün gewonnenen Strom in den Elektrolyseur stecken. Aber stattdessen machen wir alles kompliziert. So werden wir keinen Hochlauf haben.“

„Skalieren und verkaufen“

Der zweite Gesprächsgast in der von Hub-Schatzmeister Stephan Schneider moderierten Runde näherte sich dem Thema Regulatorik von seiner Seite und kam zu einem sehr ähnlichen Schluss. Lars Redeligx ist Vorsitzender der Geschäftsführung des Flughafens Düsseldorf. Er sprach auch eine Regulatorik an, die dafür sorgt, dass aus Klimaschutzgründen Flüge in Deutschland um ein Vielfaches teurer sind als im Ausland. „Damit sparen wir keinen Gramm Emissionen. Denn die Flüge finden dann einfach im Ausland statt.“ Statt Regulierung sprach sich Lars Redeligx für Innovation aus, nachdem er geschildert hatte, dass Düsseldorf das größte PV-Feld auf einem Flughafen in Deutschland baut und plant, einen Teil der Energie in Wasserstoff zu speichern. Damit soll die Infrastruktur des Flughafens versorgt werden und der Schwerlastverkehr auf dem Boden, der mittels einer Tankstelle bedient wird. „Lasst uns diese Technologie skalieren und verkaufen. Wir sollten ein Teil der Lösung sein, statt darin zu verharren, uns über Regulatorik zu beschweren.“ Oder kurz gesagt: Einfach mal machen.

Prozesswärme dekarbonisieren

Das tut auch Dr. Simon Hahn, Gründer eines im Aufbau befindlichen Start-ups mit dem Namen Clean H2eat und Wissenschaftler am Forschungszentrum Jülich. Wasserstoff ist eines seiner Kernthemen. Aber eben nicht nur. Er arbeitet mit dem Prinzip der katalytischen Verbrennung daran, das große Thema Prozesswärme zu dekarbonisieren. 20 Prozent der Emissionen in Deutschland hätten hier ihren Ursprung. Er erinnerte an eine typisch deutsche Stärke, nämlich die Ingenieurskunst. „Wir sollten einfach mal machen. Der Ingenieur und der Erfinder können das umsetzen.“ Seine Idee: eine flexible Prozesswärme. Flexibel mit Blick auf das Temperaturniveau. Und mit Blick auf die Energie. „Strom, wenn er günstig ist. Wasserstoff als Sicherheit in der Hinterhand. Und vorübergehend noch Erdgas. Die Dekarbonisierung der Prozesswärme muss wirtschaftlich sein und nicht nur ideell gedacht werden.“

„Wir sind hier privilegiert“

Angesprochen auf das Erneuerbare-Energien-Potenzial des Rheinischen Reviers machte Prof. Peter Wasserscheid einen Vergleich mit Bayern, wo er Vorstandsmitglied des Zentrums Wasserstoff.Bayern ist. „Ich schaue nach Burghausen, wo sie schon lange angestrengt überlegen, wie sie das Wacker-Werk defossilisieren. Hier im Revier gibt es viel Wind, hier gibt es den Rhein, über den wir Energie, gespeichert in Wasserstoff-Derivaten, transportieren können. In Burghausen wären sie über solche Voraussetzungen glücklich. Wir sind hier privilegiert, was die Voraussetzungen angeht.“ Die sollte das Revier nutzen. Frei nach dem Motto: Einfach mal machen. „Denn wenn wir zu lange warten, dann passiert das, was mir bei der Photovoltaik und anderen neuen Energietechnologien passiert ist: Wir haben sie erfunden. Und trotzdem kommen heute 90 Prozent dieser Technologien aus China.“

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