Der Professor der kleinen Dinge

Ein dunkler Wald, der mit leuchtenden Bällen aufgehellt wird - vereinfacht gesprochen funktioniert das Röntgen auf molekularer Ebene so. Foto: Adobe Stock/Montage: Clarissa Reisen

Was haben Wasserstoff, Conrad Röntgen und ein dunkler Wald miteinander zu tun? Aus der Sicht von Hans-Georg Steinrück jede Menge. Der Physiker ist Professor am Institut für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft (INW) des Forschungszentrums Jülich und verantwortet den Bereich Katalytische Grenzflächen (INW-1) als Direktor.

Seit Ende 2023 ist er am INW der Experte für die kleinsten Teilchen. Im übertragenen Sinn von Goethes Faust will Hans-Georg Steinrück wissen, was die Welt im Inneren zusammenhält. Genauer gesagt die Wasserstoff-Welt. Um diese kleinsten Teilchen betrachten zu können, benutzen Hans-Georg Steinrück und sein gerade im Aufbau befindliches Team des INW-1 das Röntgen.

Also genau die Strahlung, die Conrad Röntgen 1895 entdeckt hat und die heute genutzt wird, um in einen undurchsichtigen Körper hineinzuschauen. Beispielsweise, um festzustellen, ob ein Knochen gebrochen ist oder nicht.

Seit knapp einem Jahr ist Prof. Dr. Hans-Georg Steinrück Direktor des Institutsbereichs 1 am INW. Foto: Forschunbgszentrum Jülich/Jansen

Ångström – die perfekte Wellenlänge

„Für unsere Zwecke gibt es keine bessere Methode“, sagt Hans-Georg Steinrück. Deswegen plant er gerade den Aufbau eines Röntgenlabors in Jülich. Dass Röntgen für die Analyse der atomaren Ebene gut geeignet ist, hat mit der Wellenlänge der Strahlung zu tun. Diese beträgt ca. ein Ångström, was dem zehnmillionsten Teil eines Millimeters entspricht. Ein Ångström ist ebenso eine typische Größe für den Radius eines Atoms. Also haben Röntgenstrahlen genau die richtige Wellenlänge, um kenntlich zu machen, wenn sich auf atomarer Ebene etwas verändert. Entweder, weil sich die Position eines Atoms oder Moleküls verändert hat oder weil ein Molekül oder Katalysatorteilchen auseinandergebrochen ist.

In vielen Fällen und im Gegensatz zum gebrochenen Knochen erhalten Hans-Georg Steinrück und sein Team aber kein konkretes Röntgenbild, welches 1:1 zeigt, was passiert ist. „Wir modellieren das Signal und konstruieren damit ein Modell des beobachteten Phänomens“, erklärt der Physiker im Rhamen der HC-H2-Veranstaltung Brainergy Park Connect, bei der die Anrainer des Parks zu einem Mittagessen zusammenkommen. Den Zuhörern erklärt er das Röntgen von Molekülen und Atomen anhand  eines abstrakten Vergleichs mit einem dunklen Wald, in dem die Bäume nicht mehr zu sehen sind. „Wenn wir wissen wollen, wie groß die Bäume sind, welche Form sie haben und wie weit sie voneinander entfernt sind, schicken wir lauter leuchtende Bälle in den Wald und beobachten, wie diese abgelenkt werden. So können wir Rückschlüsse auf die Bäume ziehen.“

Synchrotron und Röntgen-Labor

In Zukunft soll das mit dem Röntgen-Labor möglich sein. Bereits jetzt arbeitet die Gruppe an sogenannten Synchrotron-Strahlungsquellen, die sie z. B. in Hamburg oder Grenoble nutzen können. „Wir werden weiterhin auch eine Synchrotron-Gruppe sein, weil wir von den Möglichkeiten dieser Technologie sehr profitieren“, sagt der Direktor. Ein Synchrotron ist ein Teilchenbeschleuniger und eine Quelle extrem hellen Röntgen-Lichts. Die Daten, die Messungen mit einem Synchrotron ergeben, sind vielfältiger und genauer. Allerdings steht ein Synchrotron deutlich seltener zur Verfügung, weil es viele Forschungsgruppen nutzen wollen. Das eigene Röntgenlabor der Zukunft bietet dann die Chance, kontinuierlich zu messen. Die Mischung macht`s am Ende. Eine größere Datenmenge an wenigen kurzen Zeitpunkten und eine lange Datenreihe ergeben in der Zusammenschau einen schlüssigen Datensatz.

Jetzt ist es unsere Aufgabe, mit Entwicklung, internationalen Partnerschaften und dem konsequenten Ausbau eines regenerativen Energiesystems dafür zu sorgen, dass der Marktpreis für Wasserstoff möglichst schnell sinkt und für viele Anwendungsbereiche und Kunden interessant wird. Wenn die Produktions- und Speicherkapazitäten bei uns größer geworden sind und wir mehr Wasserstoff importieren, dann wird der angebliche Champagner immer mehr zum Mineralwasser der Energiewende.

Auszeichnungen der International Society of Electrochemistry

Bereits im Jahr 2022 hat Hans-Georg Steinrück, damals noch Junior-Professor am Chemie-Department der Universität Paderborn, die Energy & Environmental Science (EES) Lectureship-Auszeichnung erhalten. Die Internationale Gesellschaft für Elektrochemie (International Society of Electrochemistry, ISE) zeichnet nach eigenen Angaben “herausragender Nachwuchsforscher aus, die an einem Energieforschungsthema im Rahmen der Energie- und Umweltwissenschaften arbeiten. Die Forscherinnen und Forscher erhalten zudem eine Plattform, um die eigene Forschung der breiteren wissenschaftlichen Gemeinschaft vorzustellen.”
Jetzt, bei der 75. Jahrestagung der ISE im kanadischen Montreal, hat Hans-Georg Steinrück seinen Vortrag anlässlich der Auszeichung gehalten. “Für mich ist das eine große Ehre und ein großer Ansporn, mit meinem Team weiter engagiert an Themen der Energie der Zukunft zu arbeiten”, sagte Hans-Georg Steinrück.

Die ISE hat in diesem Jahr außerdem eine hohe Auszeichnung an einen weiteren Jülicher Forscher verliehen. Prof. Michael Eikerling vom Institute of Energy Technologies (IET), Theorie und computergestützte Modellierung von Materialien in der Energietechnik (IET-3), wurde zum Fellow der International Society of Electrochemistry gewählt. Die Auszeichnung ehrt seine Arbeit zur theoretischen Elektrochemie, im Besonderen seine Beiträge zur Simulation von elektrokatalytischen Reaktionen an Grenzflächen.

Michael Eikerling hält zudem den Lehrstuhl für Theorie und computergestützte Modellierung von Energiematerialien am Giesserei-Institut der RWTH Aachen.

Hans-Georg Steinrück (l.) nimmt die Auszeichnung in Montreal entgegen. Foto: ISE
Prof. Michael Eikerling vom Institute of Energy Technologies (IET) des Forschungszentrums Jülich wurde zum Fellow der der International Society of Electrochemistry gewählt. Foto: Forschungszentrum Jülich