„Wasserstoff und Batterie: hochgradig komplementär“
Prof. Dr. Peter Wasserscheid (r.) im Gespräch mit André Stinka und Dr. Saskia Wessel. Foto: Forschungszentrum Jülich/Jansen
Experten, die in eine Polit-Talkshow wie Anne Will eingeladen werden, vertreten meistens gegensätzliche Meinungen. Ansonsten käme die erhoffte Diskussion nicht zustande. „Uns beide könnte man jedenfalls nicht einladen“, sagte Prof. Dr. Peter Wasserscheid jetzt zu Dr. Saskia Wessel. Der eine ist Wasserstoff-Forscher und Sprecher des Helmholtz-Clusters Wasserstoff (HC-H2). Die andere ist Batterie-Forscherin und Bereichsleiterin der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB Münster. „Das, was wir machen, ist im Energiesystem der Zukunft hochgradig komplementär“, erklärte Wasserscheid jetzt vor dem Arbeitskreis Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie der SPD-NRW-Landtagsfraktion. Batterie und Wasserstoff stehen also in keinem Konflikt, sondern sind zwei Bauteile der Lösung.
Die Partei hatte Wessel und Wasserscheid zu einer Gesprächsrunde zum Thema „Keine Energiewende ohne Energiespeicher – welche Technologien eignen sich für welche Zwecke“? eingeladen. Fazit: Wasserstoff und Batterien ergänzen sich mit ihren jeweiligen Stärken im Energiesystem der Zukunft. Das vermittelten die beiden Forschenden den Politikern.
Der SPD-Arbeitskreis unter dem Vorsitz des wirtschaftspolitischen Sprechers André Stinka hatte Wessel und Wasserscheid gebeten, den Sachstand zu schildern für zwei wichtige Speichertechnologien im Energiesystem der Zukunft. „Man kann schon sagen, dass die Batterie zehn Jahre weiter ist“, schilderte Wasserscheid und verwies auf die Forschung, die früher begonnen habe. Batterie-getriebene Autos seien deutlich tiefer im Markt verankert als Wasserstoff-Autos.
„Wenn wir über große, strategische Mengen reden, dann reden wir über Wasserstoff in Speichern, die deutlich seltener beladen werden.”
Prof. Dr. Peter Wasserscheid
Dass die eine Technologie nicht ohne die andere funktioniere, machte Wessel deutlich. „Beide Technologien sind aufeinander angewiesen. Die Batterie versorgt beispielsweise die Elektrolyse, mit der Wasserstoff hergestellt wird. So können wir mit Wasserstoff große Energiemengen speichern. Diese großen Mengen wären mit Batterien nicht wirtschaftlich“, erklärte Wessel. Wasserscheid ergänzte, dass die Batterie bei kleineren Anwendungen besser sei, in denen häufig be- und entladen wird. „Wenn wir über große, strategische Mengen reden, dann reden wir über Wasserstoff in Speichern, die deutlich seltener beladen werden.“ Auch bei Großabnehmern aus der Industrie, beispielsweise der Stahlindustrie, sei Wasserstoff sinnvoller.
Nicht neu bauen, sondern umdenken
Die SPD-Abgeordneten erkundigten sich, ob für das klimafreundliche Energiesystem der Zukunft eine neue Infrastruktur mit neuen Pipelines, Leitungen und Tanklagern erforderlich sei. Wasserscheid machte einen Gegenvorschlag und riet dazu, „in den Strukturen zu denken, die schon da sind“. Wasserstoff sei mit vielen Infrastrukturen kompatibel, die Gas oder Diesel verteilen und vorhalten. Bestehende Strukturen zu nutzen, funktioniere schneller, wenn die Menschheit die globale Erwärmung so schnell wie möglich bremsen will.
Ein weiteres Thema, bei dem sich Wessel und Wasserscheid wieder einig waren, ist die Mobilität. „Für beides gibt es Anwendungen“, sagte Wessel. Wasserscheid präsentierte eine grobe Formel: „Da, wo ich heute mit Benzin fahre, ist die Batterie in vielen Fällen die bessere Lösung. Wasserstoff hat Vorteile in den Sparten, die heute auf Diesel setzen.“ Für Pkw gibt es beide Kraftstoffe. Wasserscheid erklärte die mögliche Aufteilung so: „Wenn ich einen Arbeitsweg von 50 Kilometern am Tag habe und das Fahrzeug über Nacht laden kann, dann ist die Batterie sinnvoll. Jemand, der lange Strecken am Stück fahren muss, ist in Zukunft mit Wasserstoff besser aufgestellt.“
Der Vergleich mit der Milchkuh im Garten
Stinka sprach das Thema Effizienz an. Wasserstoff sei, was den Wirkungsrad angeht, bekanntlich weniger effizient, weil Energie investiert werden muss, um ihn herzustellen. Wasserscheid antwortete, dass die Debatte über Effizienz nicht die richtige sei. „Wichtiger ist doch, dass ich einen nachhaltigen Energieträger kostengünstig zur Verfügung habe.“ Er machte das anhand eines Vergleichs deutlich. Wer Milch haben wolle, handle effizienter, wenn er sich eine Milchkuh in den Garten stellt. Das sei effizienter als Milch im Supermarkt zu kaufen, weil die Produktionskosten und -wege mit der Kuh im Garten deutlich geringer seien. „Trotzdem macht das fast niemand, weil die gekaufte Milch kostengünstiger ist und weniger aufwändig.“
Wasserstoff = Champagner?
Schließlich sprachen die Politiker noch das Thema der Kosten an und Stinka nannte den geläufigen Vergleich von Wasserstoff mit Champagner. Wasserscheid riet zu einer anderen Denkweise. Natürlich sei Wasserstoff teuer, wenn er in Deutschland mit deutschen Energiekosten produziert wird. „Unsere Industrie ist aber darauf angewiesen, dass sie einen Kilogramm Wasserstoff für unter zwei Euro einkaufen kann. Ein solcher Preis ist in vielen Vorzugsregionen auf der Welt möglich, in der es mehr Sonnenstunden oder Windenergie gibt. Deutschland hat einen Großteil der benötigten Energie schon immer importiert. Das wird auch in Zukunft so sein. Grüner Wasserstoff kommt dann aus Regionen, in denen wir viel regenerative Energie ernten können und in der wenige Menschen leben. Das wird nicht Deutschland sein.“
Nach dem Gespräch Stinka, Wessel und Wasserscheid in einer Livesendung der SPD-Fraktion über die Energiewirtschaft der Zukunft gesprochen. Hier ist die Aufzeichnung zu sehen.