Die SOFC-Brennstoffzellen am Hermann-Josef-Krankenhaus sind in Betrieb: (von links, vorne) Die Vorstandsvorsitzende des Forschungszentrums Jülich Prof. Astrid Lambrecht, Ministerialdirigentin Oda Keppler vom Bundesforschungsministerium und Tomasz Königs, der technische Leiter des Krankenhauses, haben symbolisch das Band zum Start durchtrennt. Foto: Forschungszentrum Jülich/Jansen
Demovorhaben Multi-SOFC Erkelenz
Die Wasserstoff-Zukunft am Krankenhaus Erkelenz
Die Zukunft der klimafreundlichen Energieversorgung am Hermann-Josef-Krankenhaus (HJK) Erkelenz hat begonnen. Oda Keppler, die Abteilungsleiterin für Nachhaltigkeit des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, hat das dezentrale Brennstoffzellensystem der Robert Bosch GmbH während eines feierlichen Aktes in Betrieb genommen. Die zehn Brennstoffzellen-Units sind die erste Stufe im Demonstrationsvorhaben Multi-SOFC Erkelenz. Koordiniert wird das Projekt vom Helmholtz-Cluster Wasserstoff (HC-H2), dessen Kern das Institut für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft des Forschungszentrums Jülich bildet.
Im kommenden Jahr wird das SOFC-System mit der LOHC-Technologie der Hydrogenious LOHC Technologies GmbH kombiniert. Die Projektpartner versorgen das HJK dann mit einer erstmals gezeigten Kombination von Wasserstofftechnologien. Das Erkelenzer Krankenhaus ist hierfür prädestiniert, weil es einen konstant hohen Energiebedarf hat.
Demonstration bis 2026
Eine klimafreundlichere Energieversorgung ist das Ziel, das die Partner bis zum Projektende 2026 demonstrieren wollen. Damit entsteht in Erkelenz ein Leuchtturmprojekt, das eine weitreichende Strahlkraft entwickeln kann. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Demonstrationsvorhaben Multi-SOFC Erkelenz mit 23,6 Millionen Euro.
„Das Projekt Multi-SOFC macht das enorme Potenzial neuartiger Wasserstofftechnologien deutlich und zeigt konkret, wie Innovationen die Energiewende im Rheinischen Revier und weltweit vorantreiben. Das Besondere dabei ist die Kombination zweier Technologien, die in der Demonstratoranlage schrittweise zum Einsatz kommen. So soll gezeigt werden, dass auch große Gebäudekomplexe mit Wasserstofftechnologien ausreichend versorgt werden können. In Zukunft kann das Projekt weltweit als Vorlage dienen, wenn es um die Versorgung großer Verbraucher und die Reduktion der CO2-Emissionen geht. Deshalb fördern wir das Projekt als Bundesforschungsministerium mit rund 23,6 Millionen Euro aus Mitteln des Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen.“
© Bundesregierung/Guido Bergmann
SOFC
Brennstoffzellen sind Reaktoren, mit deren Hilfe Strom aus Wasserstoff gewonnen wird. Die Abkürzung SOFC steht für Solid Oxide Fuel Cell, was auf Deutsch Festoxid-Brennstoffzelle bedeutet. SOFC-Systeme arbeiten auf einem hohen Temperaturniveau von 500 bis 700 Grad, sodass neben dem erzeugten Strom auch die Wärme genutzt werden kann. Das von der Robert Bosch GmbH installierte Brennstoffzellensystem kann neben Wasserstoff auch aus Erdgas Strom und Wärme gewinnen.
LOHC
LOHC bedeutet Liquid Organic Hydrogen Carrier, also flüssiger organischer Wasserstoffträger. Am HJK in Erkelenz wird ein schwer entflammbares Thermalöl namens Benzyltoluol als LOHC genutzt. Dieses kann wie Diesel bei Umgebungstemperatur und ohne Druck transportiert und gelagert werden und ist daher sehr sicher. Mit dem Verfahren von Hydrogenious kann Wasserstoff in einem chemischen Prozess an das Thermalöl gebunden und bei Bedarf wieder freigesetzt werden.
HC-H2
Das Helmholtz-Cluster Wasserstoff (HC-H2) koordiniert zum einen Wasserstoff-Projekte im Rheinischen Revier, die als Blaupause für klimafreundliche Energietechnologien der Zukunft geeignet sein sollen. Den Kern des HC-H2 bildet das Institut für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft des Forschungszentrums Jülich. Das zweite Ziel des HC-H2 ist, innovative und nachhaltige Wirtschaftskraft in der größten Tagebau-Region Europas aufzubauen als Gegengewicht zum Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bis zum Jahr 2030.
Zusammenspiel zweier Technologien demonstrieren
Die Robert Bosch GmbH, Hydrogenious LOHC NRW GmbH, das Hermann-Josef-Krankenhaus Erkelenz und das Helmholtz-Cluster Wasserstoff wollen demonstrieren, dass die neue Kombination der zwei Wasserstoff-Technologien 20 Prozent des Bedarfs an Strom und Wärme des Krankenhauses Erkelenz abdecken kann. Das ist eine relevante Größenordnung, mit der es möglich ist, die Technologie für größere Bedarfe und andere Anwendungszwecke zu skalieren.
„Wir sind überzeugt davon, dass die bei unserem Demonstrationsvorhaben Multi-SOFC gezeigten Technologien auf großes Interesse stoßen können. Während des Vorhabens optimieren wir das neue System fortlaufend und haben so zum Abschluss einen Datensatz vorliegen, auf dessen Basis die Projektpartner das kombinierte System für industrielle Anwendungen skalieren können.“
Dr.-Ing. Michael Alders, leitender Projektingenieur beim HC-H2. © Forschungszentrum Jülich/Limbach
Erste Phase hat begonnen
Die erste Phase des Vorhabens ist jetzt mit der Inbetriebnahme der zehn SOFC-Units gestartet. Die Technologie von Bosch befindet sich in der Vorindustrialisierungsphase und der Markteintritt wird gerade vorbereitet. Zuerst wird das SOFC-System mit Erdgas versorgt. Schon hier erwarten die Projektpartner eine signifikant verbesserte Klimabilanz im Vergleich zur konventionellen Stromversorgung des HJK mit einem Blockheizkraftwerk. Denn im Betrieb mit Erdgas spart das Brennstoffzellensystem bis zu 40 Prozent CO2-Emissionen ein. Der Grund hierfür ist der höhere elektrische Wirkungsgrad. Im Erdgas-Betrieb generiert das Bosch-Brennstoffzellensystem einen elektrischen Wirkungsgrad von bis zu 60 Prozent. Im Vergleich dazu erreicht das Blockheizkraftwerk nur etwa 36 Prozent.
In diesem Jahr beginnen die Projektpartner, dem Erdgas Wasserstoff beizumischen, dessen Anteil sie Schritt für Schritt steigern. Der Wasserstoff wird zuerst unter Druck in Gasflaschen bereitgestellt. Mit dem steigenden Wasserstoffanteil sinken die CO2-Emissionen am HJK weiter. Der Anteil im Gasgemisch steigt im Verlauf auf bis zu 20 Prozent. Das ermöglicht Erkenntnisse für eine spätere mögliche Weiterentwicklung einer ausschließlich auf Wasserstoff basierenden Versorgung.
Ähnlich dem Pfandflaschen-System
2025 löst die LOHC-Technologie die Gasflaschen ab. Bis dahin hat die Hydrogenious LOHC NRW GmbH am HJK ihre Infrastruktur installiert. Diese ermöglicht, Wasserstoff in einem herkömmlichem Tank-Lkw bei Umgebungsbedingungen in Erkelenz anzuliefern. Um den Wasserstoff aus dem LOHC freizusetzen, muss dem Thermalöl Energie in Form von Wärme zugeführt werden. Die Partner wollen zeigen, dass es möglich ist, dafür die Abwärme zu nutzen, die das SOFC-System beim Verstromen des Gasgemischs erzeugt.
Ist der Wasserstoff freigesetzt, fließt das entladene Trägermaterial in einen zweiten unterirdischen Tank. Es kann dann zu einem Wasserstoff-Erzeuger zurück transportiert und erneut mit Wasserstoff beladen werden – ähnlich dem Pfandflaschen-Prinzip.
Die neu installierte Technologie löst die bewährte Versorgung des Krankenhauses nicht ab. Am HJK sind weiterhin ein Blockheizkraftwerk und als Rückfalloption ein Gasmotor im Einsatz, die das Haus bei Bedarf auch allein versorgen können.
Interessenten, die sich über das Projekt Multi-SOFC informieren wollen, können sich per Mail an die Adresse info.hch2@fz-juelich.de wenden.
„Strom- und Wärmeversorgung von heute und morgen muss klimafreundlich, effizient und sicher sein. Unser SOFC-System versorgt das HJK mit Strom und Wärme, dabei verursachen wir weniger CO2 als die vorherigen Systeme. Damit schaffen wir Versorgungssicherheit und leisten einen Beitrag für den Klimaschutz. Das Multi-SOFC Projekt bietet die Chance, unsere Technologie erstmals in einer Krankenhaus-Infrastruktur einzusetzen und später den Nutzen des Zusammenspiels mit einer LOHC-Anlage zu demonstrieren.“
Dr. Wilfried Kölscheid, Senior Vice President Robert Bosch GmbH und verantwortlich für das stationäre Festoxid-Brennstoffzellen-Programm. © Robert Bosch GmbH
„Unser Haus ist einer der größten Arbeitgeber im Kreis Heinsberg. Der Energiebedarf am Hermann-Josef-Krankenhaus entspricht in etwa dem von 400 Haushalten. Wir stellen uns der Verantwortung, die aus unserem Verbrauch und aus unserer Rolle als Arbeitgeber erwächst, indem wir dabei helfen, klimafreundliche, zuverlässige und wirtschaftlich sinnvolle Konzepte der Energieversorgung von morgen zu zeigen. Wir freuen uns, dass wir zu einem Ort werden, an dem eine zukunftsweisende Technologie sichtbar wird.“
Jann Habbinga, Verwaltungsdirektor des Hermann-Josef-Krankenhauses Erkelenz. © HJK
„Die Zusammenarbeit mit Bosch im Rahmen des Multi-SOFC-Projekts am HJK Erkelenz ist für uns nicht nur ein Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung in der Region, sondern auch ein eindrucksvolles Beispiel dafür, welche Synergien durch die Kombination innovativer Technologien möglich werden. Die LOHC-Technologie erlaubt den vergleichsweise einfachen und sicheren Transport und die Lagerung von Wasserstoff, selbst in der Nähe kritischer urbaner Infrastrukturen wie einem Krankenhaus. Ihr Einsatz in Verbindung mit der SOFC-Technologie von Bosch stellt eine vielversprechende Blaupause dar, die sich zukünftig weiter skalieren lässt …“
Dr. Andreas Lehmann, Chief Strategy Officer (CSO) bei Hydrogenious LOHC Technologies. © Hydrogenious LOHC Technologies