Kein Entweder-Oder im Energiesystem der Zukunft
Prof. Andreas Peschel. Foto: Forschungszentrum Jülich/Limbach
„Wir werden im klimafreundlichen Energiesystem der Zukunft Strom und Wasserstoff sehen. Ein Entweder-Oder wird es nicht geben.“ So lautete eine Zusammenfassung von Prof. Dr. Andreas Peschel, als er jetzt vor Mitgliedern des CDU-Stadtverbands Eschweiler gesprochen hat.
Andreas Peschel ist Direktor am Institut für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft (INW) des Forschungszentrums Jülich. Er und Fabian Müller-Lutz als Wasserstoff-Experte der Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen waren in Eschweiler zu Gast, um mit den Christdemokraten über die Zukunft der Energie zu reden.
„Wir brauchen Wasserstoff immer dann, wenn der Strom es nicht mehr schafft“, sagte Andreas Peschel. Grün erzeugter Strom und seine kurz- und mittelfristigen Speicher wie Batterien seien an vielen Stellen besser geeignet als Wasserstoff, weil sie die günstigere und effizientere Art der Versorgung sind. „Aber Energie wird oft nicht an den Orten verbraucht, an denen sie erzeugt wird“, erklärte Andreas Peschel, dass der Transport und die Speicherung von größeren Mengen Energiewichtige Themen seien.
Das gelte gerade für ein Land wie Deutschland, erst recht für ein energieintensives Bundesland wie NRW, in denen mehr Energie benötigt als erzeugt wird. Der Transport über längere Strecken, die Speicherung über längere Zeit, ein hoher Energiebedarf und die Notwendigkeit, mit sehr hohen Temperaturen zu arbeiten, beispielsweise bei der Stahlproduktion – das seien Szenarien, in denen Wasserstoff die Lücken schließen soll, die Strom nicht oder wenig sinnvoll abdecken kann.
Wir brauchen Wasserstoff immer dann, wenn der Strom es nicht mehr schafft.
Prof. Andreas Peschel
Mischkalkulation beim Energiepreis
Auf die Frage aus der Zuhörerschaft, ob Energie aus Wasserstoff nicht zu teuer sei, entgegnete Andreas Peschel: „Wir müssen uns schon ehrlich in die Augen schauen und sagen, dass wir mit Wasserstoff in den kommenden Jahren noch nicht in einem Kostenbereich sein werden, den wir im Moment mit fossilen Energieträgern wie Braunkohle erreichen.“ Um den Faktor zwei bis vier werde Wasserstoff mittelfristig teurer sein, bevor die Preise langfristig mutmaßlich sinken. Andreas Peschel machte darauf aufmerksam, dass nicht der Wasserstoff allein den Energiepreis der Zukunft bestimmen werde. Er sprach von einer Mischkalkulation, die zu einem großen Teil von direkt verstromter grüner Energie bestimmt werden werde.
„Grüner Strom ist schon heute die günstigste Energieform, die man zubauen kann“, sagte der Institutsbereichsdirektor. Zubauen bedeutet, dass die Kapazitäten neu geschaffen werden. Neue Windräder oder Photovoltaik-Felder sind günstiger als neue Kohle- oder Atomkraftwerke. Das werde am Beispiel des US-Bundesstaats Texas deutlich, wo der Ausbau regenerativer Energien massiv vorangetrieben werde. „Die Texaner machen das nicht, weil sie damit etwas für das Weltklima tun, sondern weil grüner Strom für sie enorm günstig ist“, führte Andreas Peschel aus. Solche Möglichkeiten wie in Texas gebe es in Deutschland aufgrund der fehlenden Menge freier Flächen und der geringeren Sonnenintensität nicht.
Der regenerative Weg ist alternativlos
Die Entwicklung hin zu einer grünen Versorgung bedeute für Deutschland zeitweilig höhere Kosten. „Die Kurven gehen mit dem voranschreitenden Ausbau nach unten. Aber wir sind noch nicht da“, sagte er mit Blick auf die Preise. Trotzdem sei der regenerative Weg alternativlos und richtig. „Was sollen wir sonst machen? Weiter Kohle und Öl verbrennen und zu den nachfolgenden Generationen sagen: Die Folgen sind euer Problem“, stellte er eine rhetorische Frage, die die Antwort ‚Nein‘ implizierte.
Dem Kern des Rheinischen Reviers, zu dem auch die Stadt Eschweiler zählt, attestierte Andreas Peschel eine hohe Bereitschaft, die Themen Energiewende und Strukturwandel anzugehen. „Hier gibt es keine Beschwerdementalität. Wir reden mit vielen Firmen und stellen fest, dass es eine große Bereitschaft zur Innovation gibt. “
Mehr Pragmatismus bei den Förderprogrammen
Das bestätigte auch Fabian Müller-Lutz, der für die IHK Aachen den Hydrogen Hub Aachen betreut. Das ist die gemeinsame Wasserstoff-Initiative der Städte und Kreise aus dem Gebiet der Kammer Aachen. „Wir wollen ein großes Energiesystem umstellen. Dabei knirscht es an einigen Ecken. Aber Viele helfen mit, damit das trotzdem klappt“, schilderte Fabian Müller-Lutz. Um das Knirschen zu beseitigen, bräuchte es mehr Pragmatismus. So seien die Förderprogramme, die beim Umsetzen der Energiewende helfen sollen, für mittelständische Unternehmen oft nur schwer nutzbar. Das müsse verbessert werden.
Mehr Anschlüsse an das Kernnetz
Genauso wie die aktuelle Planung des Wasserstoff-Kernnetzes, die von der Bundesregierung vorangetrieben wird. Die Verteil-Infrastruktur für Wasserstoff sei so ausgelegt, dass die Großabnehmer aus bestimmten Industrie-Branchen zuerst versorgt werden. „Wir halten es für fahrlässig, andere Industrien erstmal nicht anzuschließen.“ Zwar soll eine der großen Versorgungsleitungen auch durch den Kreis Düren laufen.
Ein Ausspeisepunkt für Wasserstoff sei dort aber aktuell nicht geplant. So gebe es Stand jetzt keinen Wasserstoff aus dem Kernnetz für den Kreis Düren. Die Kreise Heinsberg und Euskirchen seien ebenfalls außenvor. Von der Bevorzugung der Großabnehmer sei auch der Mittelstand betroffen. „Wenn wir dekarbonisieren wollen, dann brauchen wir unseren Mittelstand. Denn der kann Anlagen bauen, die wir für den Wasserstoffkreislauf brauchen.“
Innovation fördern
Neue Wirtschaftskraft mit Wasserstoff erzeugen – das sei auch das Ziel des Helmholtz-Clusters Wasserstoff (HC-H2), das aus dem Zusammenspiel des INW mit Partnern aus Industrie, Wirtschaft und anderen öffentlichen Einrichtungen entsteht. Im Rahmen des HC-H2 könnten die Expertinnen und Experten aus dem Forschungszentrum Jülich laut Andreas Peschel zwar keine Energieberatung anbieten. Aber sie können Partnern dabei helfen, Projekte zu qualifizieren und mit den Förderrichtlinien in Einklang zu bringen. Zudem soll bis 2038 ein beträchtlicher Teil der etwas mehr als einer Milliarde Euro an Fördergeldern für das HC-H2 in die Partner-Unternehmen geleitet werden. Die Voraussetzung dafür: Die Partner helfen dabei, neuartige und innovative Wasserstofftechnologien schneller am Markt zu etablieren. Damit bedeutet das HC-H2 keine Wirtschaftsförderung, sondern eine Förderung von Innovation, die neue Wirtschaftskraft nach sich zieht.