Elektrolyseure und Brennstoffzellen sind sowas wie das Yin und Yang der Wasserstoffwelt. Sie stehen für zwei Verfahren, die gegensätzlich sind und sich trotzdem perfekt ergänzen. Ein Elektrolyseur spaltet mithilfe von elektrischer und thermischer Energie Wasser (H2O) in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2). Kommando zurück heißt es mit der Brennstoffzelle: Wasserstoff und Sauerstoff reagieren zu Wasser. Während der Reaktion wird ein großer Teil der elektrischen Energie wieder nutzbar, der für die Elektrolyse notwendig war. So weit, so einfach.
Energiewandler
Beide Prinzipien sind schon seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannt. Seit die Klimaforschung ab den späten 1980er Jahren immer mehr Beweise dafür findet, dass der Mensch die natürliche Balance des Klimas mit dem Verbrennen von fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas stört, arbeitet die Wissenschaft verstärkt daran, Energiespeicher- und wandler zu entwickeln, die das Klima nicht noch weiter aus dem Gleichgewicht bringen. Elektrolyseure und Brennstoffzellen sind zwei entscheidende Technologien, die notwendig sind, damit Wasserstoff neben Batterien eine Säule des klimafreundlichen Energiesystems der Zukunft sein kann.
PEM-Systeme
Der PEM-Elektrolyseur und die PEM-Brennstoffzelle – PEM steht für Proton Exchange Membrane, was Protonen-Austausch-Membran bedeutet – sind noch vergleichsweise neu. Und sie sind Hoffnungsträger für die Wasserstoffwirtschaft der Zukunft. „Sie haben eine gute Lastflexibilität“, beschreibt Dr. Holger Janßen, Gruppenleiter für Stacks und Systeme im Institute of Energy Technologies (IET-4) am Forschungszentrum Jülich, einen großen Vorteil der PEM-Technologie. „Sie kommt also gut mit stark fluktuierendem Strom zurecht. Auch kann sie gut mit einer Teillast gefahren werden, wenn wenig grüner Strom zur Verfügung steht.“ Das ist wichtig für die grüne Energiewirtschaft der Zukunft, die mit regenerativer Energie versorgt werden soll. Und die steht nicht in konstanter Menge zur Verfügung, weil die Sonne nicht immer scheint und Wind nicht immer weht.
Das teuerste Metall überhaupt
Allerdings sind Elektrolyseure und Brennstoffzellen mit Protonen-Austausch-Membran nach wie vor eine Herausforderung für die Forschung. „Die Membran-Elektroden-Einheit, das Herzstück jeder PEM-Zelle, besteht aus kritischen teuren Materialien“, erklärt Holger Janßen und spricht hierbei in erster Linie von dem Metall Iridium, das ein Nadelöhr für die Elektrolyse ist. Bei PEM-Brennstoffzellen kommt Platin zum Einsatz – ebenfalls kostspielig, aber weniger kritisch als Iridium. „Seit absehbar ist, dass wir mehr Wasserstoff produzieren wollen und dass die PEM-Elektrolyse dabei eine große Rolle spielen soll, ist der Börsenpreis für Iridium dramatisch angestiegen.“ In den vergangenen zehn Jahren um mehr als 800 Prozent. Eine Feinunze (31,1 Gramm) Iridium kostet aktuell mehr als 4.200 Euro. Zum Vergleich: Gold lag bei rund 2.150 Euro. „Selbst für uns, die nur kleinere wissenschaftliche Mengen benötigen, ist das ein Problem“, schildert Holger Janßen.
Weniger als zehn Tonnen pro Jahr
Der Grund für den dramatischen Anstieg, der Ende 2020 passierte, ist die Seltenheit von Iridium im Vergleich zur stark steigenden Nachfrage. Die natürlichen Vorkommen sind minimal klein. Der Anteil von Iridium an der Erdkruste beträgt nur 0,022 Milliardstel. Die Vorkommen sind vermutlich unter anderem auf den Einschlag eines Asteroiden zurückzuführen, der vor 66 Millionen Jahren die meisten Dinosaurierarten ausgelöscht hat. Iridium kann jedoch trotzdem gewonnen werden, da es als Rückstand bei der Platinherstellung anfällt. Dennoch steht die gewonnene Menge von weniger als zehn Tonnen pro Jahr weltweit in einem deutlichen Missverhältnis zur Nachfrage von über 200 Tonnen.
Die PEM-Elektrolyse-Technologie benötigt eine gasdichte Membran, um die Zellbereiche der Anode und Kathode voneinander zu trennen. Sie arbeitet in einem sauren Milieu. Deswegen ist es wichtig, dass die Materialien nicht rosten. Kein Metall rostet so wenig wie Iridium. Im Gegensatz zur alkalischen Elektrolyse, in der ein negatives Ion von der Kathode zur Anode wandert, verläuft der Ionentransport hier anders: Ein positives Wasserstoffion wandert durch die protonenleitende Membran von der Anode zur Kathode. Das Ergebnis ist dasselbe: An der Anode sammelt sich Sauerstoff und an der Kathode Wasserstoff. Alles genau so, nur andersrum – so funktioniert die PEM-Brennstoffzelle. Aus Wasserstoff und Sauerstoff entsteht wieder Wasser. „Wir kennen PEM-Brennstoffzellen aus der Anwendung schon ganz gut. Sie werden beispielsweise in der Mobilität bei Autos, Lkw und Bussen eingesetzt“, erklärt Holger Janßen. Die Technologie ist mittlerweile so weit entwickelt, dass sie den Sprung in die Anwendung und in die Serienproduktion geschafft hat. Bei den mobilen Anwendungen zeigt sich auch die Stärke der PEM-Technologie: Sie kann in kleinen, dezentralen Einheiten eingesetzt werden. Und sie ist robust, weil sie Schwingungen und Erschütterungen abkann.
Das Beste aus beiden Welten
Einen schnellstmöglichen Weg in eine klimafreundliche Zukunft, in der Wasserstoff neben Batteriespeichern eine Schlüsselrolle spielt, sieht Holger Janßen im Zusammenspiel zweier Elektrolyse-Technologien. „Im Prinzip ist das vergleichbar mit der fossilen Energieproduktion: Für die notwendige Grundlast werden hier Kohlekraftwerke genutzt. Und die dynamischen Spitzen werden mit Gaskraftwerken bedient. In Zukunft könnten große alkalische Elektrolyseure die Grundlast gewährleisten. Die Technologie ist bewährt, vergleichsweise günstig und kann zu vertretbaren Kosten hochskaliert werden. PEM-Elektrolyseure können dann die Spitzen abdecken. Sie sind lastflexibel und können schnell hoch- und runtergefahren werden.“ Das gilt im Grunde für beide Arten von Elektrolyseuren. Denn sie arbeiten bei vergleichsweise niedriger Temperatur im Bereich von 50 bis 80 Grad Celsius. Das stellt keine weiteren besonderen Ansprüche an das Material. Außerdem müssen die Elektrolyseure nicht mit großem Aufwand isoliert werden. Ganz im Gegensatz zu Hochtemperatur-Anwendungen.
Ein anderer Strang, den nicht nur die Forscher in Jülich verfolgen, ist, die alkalische Elektrolyse und die PEM-Elektrolyse zu kombinieren. Nicht, indem sie nebeneinander genutzt werden, sondern tatsächlich, indem die Eigenschaften beider Technologien zu einer neuen kombiniert werden.
Anionen-Austausch-Membran (AEM-Elektrolyse, Anion Exchange Membrane) heißt der neue Weg, bei dem, im Gegensatz zur PEM-Elektrolyse, keine Protonen mithilfe einer Membran zur Kathode wandern, obwohl der Elektrolyseur aufgebaut ist wie ein Protonen-Austausch-Membran-System. Stattdessen wandert ein Anion wie bei der alkalischen Elektrolyse zur Anode.
Der Vorteil, den sich die Wissenschaft erhofft: Das Iridium ist nicht mehr notwendig und wird mit Nickel ersetzt. Das ist im Vergleich zu Iridium günstiger und in größeren Mengen verfügbar. „Es gibt noch keine größeren AEM-Systeme im industriellen Maßstab, sondern kleinere Demonstratoren. Es wird also noch dauern, bis diese Technologie dem Markt zur Verfügung steht. Aber wir sind davon überzeugt, dass AEM-Elektrolyseure in den 2030er Jahren eine wichtige Rolle spielen können“, spricht Holger Janßen optimistisch.
Die Forschung an Festoxid-Systemen, die mit hohen Temperaturen arbeitet, ist noch lange nicht beendet. Es gibt SOEC und SOFC-Systeme. SOEC steht für Solid Oxide Electrolysis Cell, also Festoxid-Elektrolyse-Zelle. SOFC bedeutet auf Englisch Solid Oxide Fuel Cell, zu Deutsch Festoxid-Brennstoffzelle. Die Systeme werden mittlerweile im industriellen Maßstab eingesetzt, beispielsweise im HC-H2 Demonstrationsvorhaben Multi-SOFC am Krankenhaus Erkelenz. Die hohen Temperaturen, mit denen die Systeme arbeiten, haben die Forscher lange beschäftigt. Sie liegen zwischen 500 und 1.000 Grad Celsius. „Festoxid-Reaktoren starten bei Umgebungstemperatur und erwärmen sich dann stark. Das macht was mit dem Material, weil es sich stark ausdehnt und beschädigt werden kann“, beschreibt Holger Janßen die Herausforderung, die die Forschung zu bewältigen hatte. Trotzdem lohne sich der Weg. „Wo hohe Temperaturen ohnehin vorhanden sind, oder sie gut ausgekoppelt werden können, sind Festoxid-Systeme sinnvoll.“
Hochtemperatur-Anwendungen
Das ist beispielsweise in vielen industriellen Umgebungen sinnvoll. Hochtemperatur-Energiewandler erzielen die höchsten Wirkungsgrade, was bedeutet, dass am Ende des Prozesses am meisten Strom abgerufen werden kann. Außerdem sind sie die einzige Wasserstoff-Technologie, die neben einer Strom- auch eine Wärmeversorgung gewährleisten kann. „Hochtemperatur-Systeme sind da sinnvoll, wo sie möglichst kontinuierlich durchlaufen können. Ein häufiges Hoch- und Runterfahren dauert aufgrund des notwendigen hohen Temperaturniveaus zu lange“, beschreibt Holger Janßen die Szenarien, die infrage kommen. Eine zweite Voraussetzung: Hochtemperatur-Zellen ergeben nur für Anwendungen Sinn, bei denen sie möglichst wenig Schwingungen ausgesetzt sind. „Hier kommen Keramiken zum Einsatz, die relativ spröde sind und Schaden nehmen, wenn sie zu viel Schwingungen ausgesetzt werden.“ Für Autos und Lkw beispielsweise ist die Technologie also nicht geeignet. Für größere Schiffe dagegen ergibt sie mehr Sinn.
Die Technologien ergänzen sich
„Bei Hochtemperatur-Anwendungen und der PEM-Technologie wird die Forschung in Zukunft noch Verbesserungen erzielen. Das sorgt dafür, dass die Technik günstiger und effizienter wird. Aber auch die heute verfügbaren Technologien für Elektrolyseure und Brennstoffzellen können den Bedarf schon decken, der notwendig ist, damit Wasserstoff zu einem wichtigen Teil der klimafreundlichen Energiewirtschaft der Zukunft wird“, sagt Holger Janßen. Er zieht zudem ein zweites wichtiges Fazit: „Wasserstoff ist ein Teil der Zukunft des Energiespeicherns und dieser ergänzt sich perfekt zu Batteriespeichern. Und genau so ergänzen sich die Wasserstoff-Technologien. Dort, wo die eine weniger gut geeignet ist, hat die andere ihre Stärken. Das ist eine gute Basis, auf die die Forschung und Entwicklung aufbauen kann.