Alltagsfragen rund um Wasserstoff

Wo sind Direktverstromung und Batterien die besseren Lösungen im grünen Energiesystem der Zukunft und wo könnte grüner Wasserstoff seine Stärken ausspielen? Die Grafik gibt einen groben Überblick. Forschungszentrum Jülich/Reisen

Alltagsfragen rund um Wasserstoff – beantwortet von Forschenden aus dem Institute of Climate and Energy Systems (ICE) und dem Institute of Energy Technologies (IET) des Forschungszentrums Jülich.

 

Ist Wasserstoff ein Klimakiller?

Prof. Martin Riese, Stratosphäre (ICE-4):

„Tatsache ist: Wasserstoff hat drei negative Klimaeffekte. Gerät er in die Atmosphäre, wird die Lebenszeit von Methan dort erhöht, außerdem nehmen das Klimagas Ozon in der oberen Troposphäre und klimaschädlicher Wasserdampf in der Stratosphäre zu. Blickt man auf die künftige weltweite Wasserstoffwirtschaft, wird entscheidend sein, wie viel Wasserstoff-Verluste es hier geben wird – etwa durch Lecks. In aktuellen Studien werden diese Verluste auf ein bis zehn Prozent geschätzt. Aber selbst bei zehn Prozent wäre die großflächige Umstellung auf Wasserstoff ein klarer Gewinn für das Klima. Denn das viele CO2, das dadurch eingespart wird, würde dem Klima einen viel größeren Schaden zufügen. Der positive Effekt würde allerdings geschwächt. Um die konkreten Auswirkungen von H2 zu bestimmen, nehmen wir in Zukunft Wasserstoff bei unseren Ballonmessungen in der Atmosphäre mit auf.“

Können wir im Eigenheim bald mit Wasserstoff heizen?

Dr. Noah Pflugradt, Jülicher Systemanalyse (ICE-2):

„Es gibt sie bereits: Gasheizungen, die ‚H2-ready‘ sind, also auf die Verbrennung von Wasserstoff umgerüstet werden können. Es gibt durchaus Zukunftsszenarien und Orte, wo diese sinnvoll sein könnten. Bis Wasserstoff in Masse wirtschaftlich produziert wird und auch günstig beim Endverbraucher ankommt, ist das allerdings nicht wirtschaftlich. Um das Klima mit Wasserstoff beim Heizen zu schützen, braucht es grünen Wasserstoff, erzeugt mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen. H2-ready-Systeme als Heizungsalternative sind gegenwärtig also eine Wette auf eine Entwicklung, die ich in den langfristigen Szenarien der Bundesregierung derzeit nicht als flächendeckende Lösung erkennen kann. Wärmepumpen, die möglichst mit PV-Anlagen auf dem eigenen Dach betrieben werden, bleiben fürs klimafreundliche Heizen in vielen Häusern das erste Mittel der Wahl. Gerade bei gut isolierten Neubauten ist das effizient und günstig. Auch in älteren Gebäuden funktioniert die Wärmepumpe: Allerdings wird durch die notwendigen Vorlauftemperaturen bei konventionellen Heizungen die Wärmepumpe ineffizienter. Damit kann dann das Heizen mit Wärmepumpe oft teurer werden als bisher. Am Ende wird für H2-Heizungen das Preisverhältnis von Strom und Wasserstoff entscheidend sein – und wie viel Wasserstoff nach den großen Bedarfen für die Dekarbonisierung der Industrie überhaupt fürs private Heizen übrig bleibt. Aber egal ob Wasserstoff oder Wärmepumpe: In Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte ist es häufig besser, Heizen nicht fürs einzelne Einfamilienhaus, sondern für ein ganzes Quartier zu denken. Die Wärmewende in der Praxis umzusetzen, ist in vielerlei Hinsicht eine große Herausforderung – aber eine, die sich lohnt!“

Wie sicher ist Wasserstoff?

Dr. Thomas Grube, Jülicher Systemanalyse (ICE-2):

„Kurz gesagt: Wasserstoff ist für Endverbraucher sicher handhabbar. Was den Energieträger von anderen unterscheidet: Mischt sich Wasserstoff mit Sauerstoff, wird es rasch zu einem leicht entzündlichen Gas. Hier bekomme ich immer wieder einmal mit, dass es Unsicherheiten in der Bevölkerung gibt – weil viele noch sehr wenig über Wasserstoff wissen. Mit anderen, ebenfalls leicht entzündlichen Energieträgern wie Benzin oder Erdgas sind wir im Alltag seit langem vertraut, und die Menschen haben keine Bedenken, sich in ein Auto mit Benzintank zu setzen oder mit Gas zu heizen. Dabei haben etwa Brennstoffzellenautos auch Vorteile in Sachen Sicherheit. Bei Unfällen ist zum Beispiel beinahe auszuschließen, dass ihre Wasserstoff-Tanks kaputtgehen. Denn weil diese die 700 bar Druck des gasförmigen Wasserstoffs aushalten müssen, sind sie unglaublich robust konstruiert. Sollte trotz allem ein Leck im Tank entstehen, würde sich das H2 nicht wie etwa Benzin oder Diesel unter dem Fahrzeug ansammeln, sondern sich rasend schnell in der Luft verteilen – und wäre damit an der Unfallstelle ungefährlich. Falls es sich entzündet, würde es gleich an der Austrittsstelle abbrennen. Tatsächlich gibt es bei Batteriefahrzeugen, die in Brand geraten, aktuell noch größere Probleme, da einerseits deutlich mehr Löschwasser zur Brandbekämpfung und Kühlung der Batterie benötigt wird und Batterien andererseits über einen längeren Zeitraum wieder in Brand geraten können.

Das gibt es bei Wasserstoff nicht. Sowohl für Batterie- als auch für Brennstoffzellenfahrzeuge gilt übrigens, dass aufgrund der deutlich höheren Antriebseffizienz deutlich weniger Energie im Fahrzeug gespeichert wird als bei heutigen Autos mit Verbrennungsmotoren. Das Gefährdungspotenzial ist damit also viel kleiner.“

Wie lässt sich Wasserstoff in der Mobilität einsetzen?

Wasserstoffautos

Tatsächlich sind die meisten batteriebetrieben E-Autos im Alltagsbetrieb deutlich effizienter als Brennstoffzellenautos. Diese wiederum haben mit etwa 600 bis 700 Kilometern deutlich mehr Reichweite. Wasserstoffautos können also für längere Urlaubsfahrten oder für Firmenvertreter:innen im Außendienst durchaus sinnvoll sein. In Deutschland gibt es aktuell ca. 2.000 Wasserstoff-betriebene Autos und etwa 100 Wasserstoff-Tankstellen. Übrigens: Preislich ist eine Tankfüllung mit seinen rund 5 bis 6 Kilogramm gasförmigem Wasserstoff aktuell etwas teurer als für ein vergleichbares Diesel-Fahrzeug. Bislang wird auf Wasserstoff aber noch keine Kraftstoffsteuer erhoben. Sollte sich das in Zukunft ändern, müssten die Wasserstoffkosten deutlich sinken, um auf vergleichbare Kraftstoffpreise zu kommen.

Wasserstoffbusse

Den Campus Jülich fahren schon einige mit Wasserstoff betriebene Busse an. Wasserstoffbusse kommen vor allem auf längeren Strecken über Land besser klar als Elektrobusse – ebenso in bergigem Gelände, wo E-Bussen schnell die Puste ausgeht. Im normalen Stadtverkehr mit ebenen Strecken sind dagegen Elektrobusse effektiver.

Wasserstoff-Lkw

Seit November 2022 rollen erste Lkw mit Brennstoffzellen über deutsche Straßen. Auch wenn nach und nach weitere Wasserstoff-Lkw auf den Markt kommen, befinden sich diese noch in der Markteinführungsphase.

Wasserstoff-Traktoren und -Baumaschinen:

Hier untersuchen Hersteller – zum Teil auch zusammen mit Jülicher Instituten – ob Wasserstoffantriebe wirtschaftlicher als Antriebe mit Batterie oder eFuels sein können.

Wasserstoffschiffe

Diese gibt es bislang nur in sehr geringem Umfang, beispielsweise als Personenfähre in Norwegen oder Schubboot im Raum Berlin. Erste Pilotprojekte mit Wasserstoff-betriebenen Lastschiffen sind aber für die kommenden Jahre geplant.

Wasserstoff-Flugzeuge

Große Langstreckenflugzeuge, die mit grünem Wasserstoff angetrieben werden, wären ein Segen für das Klima. Absehbar wird es sie aber erst einmal nicht geben. Das Problem ist der hohe Energiebedarf der Antriebe: Die Wasserstofftanks wären für diese schweren Flugzeuge viel zu groß. Hier wird die Entwicklung wohl noch 20 bis 30 Jahre dauern. Kleinere Flugzeuge könnten deutlich früher marktreif sein, so plant Airbus erste kommerzielle Flugzeuge für 2035. Für größere Flieger könnten aus grünem Wasserstoff hergestellte eFuels eine gute Übergangslösung sein.

Wasserstoffzüge

Dr. Julian Kadar, Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien (IET-2)

Um zu zeigen, dass Züge effektiv mit Wasserstoff angetrieben werden können, arbeitet das Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg für erneuerbare Energien (HI ERN) eng mit Industriepartnern zusammen. Der geplante Zug soll mit dem flüssigen Wasserstoffträger LOHC betankt werden, welches den Wasserstoff sicher gebunden hat. Mit dem Wasserstoff, der daraus über lange Strecken freigesetzt werden kann, wird die Lok dann über eine PEM-Brennstoffzelle elektrisch angetrieben. „Gerade für den Fernverkehr bietet in LOHC gespeicherter Wasserstoff eine viel höhere Reichweite als Batterien“, sagt Dr. Julian Kadar. „Viele Zugstrecken in Deutschland haben keine elektrische Oberleitung, und ein umfassender Umbau wäre teuer und aufwendig.“ Gleichzeitig könnten für die LOHC-Flüssigkeit bestehende Dieseltanks weiter genutzt werden. „So muss keine komplett neue Infrastruktur aufgebaut werden, wie es für gasförmiges Wasserstoff nötig wäre.“ Ziel ist es, Loks auf diese Weise schadstofffrei und bei grünem Wasserstoff auch CO2-neutral zu betreiben.