Wer hat den größten Elektrolyseur? Das Rennen ist offenbar eröffnet. Und das ist gut so. Denn damit deutet sich an, dass die Prognosen von Prof. Peter Wasserscheid in seinem Interview stimmen. Der Zubau an Elektrolyseuren zur Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland nimmt deutlich an Fahrt auf. Das wird ganz besonders hier im Rheinischen Revier deutlich. Auf diesen beiden Seiten geben wir einen Überblick, der aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
2023 hatte die neue Wasserstoff-Strategie der Bundesregierung 10.000 Megawatt (MW) als Ziel für 2030 definiert. Laut der Seite www.wasserstoff-kompass.de lag die Elektrolyse-Kapazität in Deutschland Mitte des Jahres bei 154 MW, sie war also noch weit vom Ziel entfernt. Trotzdem kommt jetzt Bewegung in den Ausbau. RWE hat angekündigt, im niedersächsischen Lingen im kommenden Jahr mit einer 100-MW-Elektrolyse in Betrieb zu gehen, die bis 2027 auf 300 MW ausgebaut werden soll.
Wo soll der grüne Wasserstoff herkommen?
Einerseits als Importe aus Ländern, die ihn in größeren Mengen und günstiger herstellen können. Das Transportieren über große Strecken ist neben der Lagerung und der Speicherung eines der zentralen Themen unseres Instituts für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft am Forschungszentrum Jülich. Und natürlich aus den vielen größeren und kleineren Produktionsanlagen in Deutschland, die entstehen und die bald dafür sorgen, dass grüner Wasserstoff genau so funktioniert, wie die anderen Säulen des Energiesystems der Zukunft: dezentral und unabhängig von wenigen Ländern, die heute an fossiler Energie verdienen.
Im Rheinischen Revier gibt es erkennbares Wachstum. Ein großes Vorhaben hat den Namen REFHYNE II. Bis zu 44 Tonnen Wasserstoff täglich soll der 100-Megawatt-PEM-Elektrolyseur ab 2027 im Shell Energy and Chemicals Park Rheinland in Wesseling produzieren. PEM steht für: Proton-Exchange-Membrane (Protonen-Austausch-Membran). REFHYNE II basiert auf den Erkenntnissen, die der Konzern aus dem seit 2021 betriebenen 10-MW-Elektrolyseur am gleichen Standort gewonnen hat.
Ein Vergleich, der zeigt, dass der Weg immer noch lang ist: Für die Wasserstoff-basierte Stahlproduktion tkH2Steel in Duisburg hat Betreiber Thyssenkrupp im Vollbetrieb ab 2029 einen Wasserstoffbedarf von rund 380 Tonnen täglich angekündigt. Etwa 2,3 Millionen flüssiges Roheisen sollen so pro Jahr produziert werden. Das entspricht laut der Wirtschaftsvereinigung Stahl in etwa zehn Prozent der aktuellen Produktion in Deutschland.
Wasserstoff für Züge und Busse
Mit einer Leistung von 10 MW geht im kommenden Jahr der Elektrolyseur der HyDN GmbH in Jülich an den Start. Direkt im Brainergy Park Jülich, der auch das Helmholtz-Cluster Wasserstoff beheimatet. HyDN ist ein Zusammenschluss des Kreises Düren mit Messer Industriegase. Das Ziel der Elektrolyse dort ist, die regionale Bahnlinie und die Busflotte mit Wasserstoff zu versorgen. Den überschüssigen Wasserstoff will Messer verkaufen. „Wir möchten zeigen, dass es auch direkt vor Ort gelingt, grünen Wasserstoff zu produzieren, der regional verwertet wird“, sagt der Dürener Landrat Wolfgang Spelthahn. „Es ist gut vorstellbar, dass wir die Anlage zeitnah nach ihrem Start größer skalieren. Die modulare Bauweise lässt auch 30 MW oder mehr zu.“ Mit Energie versorgt wird die Elektrolyse von den angrenzen Photovoltaik-Feldern und den Windrädern in der Nähe.
Wasserstoff für den Busverkehr vor Ort: In diese Richtung geht auch H2HS, ein Konsortium aus fünf Unternehmen aus dem Kreis Heinsberg, dem NEUMAN & ESSER aus Übach-Palenberg, Frauenrath aus Heinsberg, BMR Energie Solutions aus Geilenkirchen, Veolia aus Heinsberg und die WEP aus Hückelhoven angehören. Ab Anfang 2025 soll die Anlage jährlich rund 70 Tonnen grünen Wasserstoff herstellen, um damit zwölf Wasserstoffbusse mit einer neu eingerichteten Tankstelle zu versorgen. Die maximale Gesamtproduktionskapazität benennt H2HS mit etwa 200 Tonnen jährlich. Die notwendige Energie kommt aus Windrädern, die sich in den Städten Heinsberg, Hückelhoven und Geilenkirchen drehen.
Schwerlastverkehr im Blick
Windräder elektrifizieren in Zukunft auch die Elektrolyse, die der Aachener Versorger STAWAG aufbaut. Auch hier liegt der Fokus auf regional hergestelltem grünen Wasserstoff, der regional verwendet wird. Die Energie stammt aus dem Windpark Aachen Nord. Denkbar ist, dass der Wasserstoff vor Ort für den öffentlichen Nahverkehr oder den Schwerlastverkehr zur Verfügung gestellt oder an andere Verbraucher verkauft wird.
Eine 5-MW-Elektrolyse entsteht gerade im Industriepark Mühlenerft in Bedburg, Ende 2026 soll sie in Betrieb gehen. H2 Bedburg heißt das Vorhaben, bei dem der Elektrolyseur an eine Abfüllstation für Industrie und Privatnutzung sowie eine Wasserstoff-Tankstelle gekoppelt wird. Das Projekt ist modular angelegt und kann bei Bedarf später auf bis zu 15 MW skaliert werden.
15 MW erreicht das Vorhaben Energie Arbeit Türnich in Kerpen auf Anhieb, wenn es fertiggestellt ist. Die Stadt Kerpen arbeitet hier mit den Stadtwerken Kerpen, dem Forschungszentrum Jülich, Siemens Energy und der Westenergie zusammen. Geplant ist eine Elektrolyse-Kapazität von rund 20 MW, mit der der öffentliche Nahverkehr und die Wasserstoff-Lkw der Logistiker vor Ort versorgt werden sollen. Große Druckspeicher sollen dafür sorgen, dass Wasserstoff trotz schwankender Erzeugungsleistungen an erneuerbaren Energien jederzeit zur Verfügung steht. Mit einer Abfüllstation soll der Wasserstoff auch per Trailer an Kunden vertrieben werden können.
Der Elektrolyseur-Teststand DERIEL in Jülich
Das Forschungszentrum Jülich (FZJ) betreibt seit dem Sommer einen hochmodernen Teststand für Elektrolyseure im Industriemaßstab. Die Anlage des Projekts DERIEL (DE–RIsking PEM-Elektrolyseur) das von Siemens Energy koordiniert wird, ist Teil des Wasserstoff-Leitprojektes H2Giga des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Sie soll dabei helfen, Elektrolyseure „made in Germany“ noch effizienter und langlebiger zu machen. Das BMBF fördert das Projekt mit rund 100 Millionen Euro.
„Mit der Einweihung unseres PEM-Elektrolyse-Teststands aus dem Projekt DERIEL wollen wir wichtige Impulse für die Wasserstoffwirtschaft in Deutschland setzen“, sagt Prof. Peter Jansens, Bereichsvorstand Energie des Forschungszentrums Jülich. „Unsere Forschung von der Materialforschung bis zur Marktreife stärkt nicht nur die technologische Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, sondern treibt auch die Anwendung innovativer Technologien voran.“
Die DERIEL-Testanlage in Jülich ist für Elektrolyseure im industriellen Maßstab ausgelegt und mit modernster Sensorik ausgestattet. Die Partner wollen mit Hilfe des Teststands zahlreiche Parameter untersuchen und optimieren, die für die Kosten und Lebensdauer von Elektrolyseuren maßgeblich sind. „Deutschland will Leitanbieter für Wasserstoff-Technologien werden“, erklärte Till Mansmann, der Innovationsbeauftragte „Grüner Wasserstoff“ des BMBF, bei der Einweihung der Testanlage.
„Dazu müssen Elektrolyseure made in Germany effizienter und langlebiger sein als die der Konkurrenz. Genau das machen wir gerade am Forschungszentrum Jülich möglich.“ Das Projekt DERIEL will dazu mit dutzenden Sensoren auf allen Ebenen, mit Kameras und komplexer Messtechnik die Alterung von Elektrolysezellen besser verstehen. Anschließend sollen die Erkenntnisse in kommende Elektrolyseur-Generationen einfließen.
„Mit der Erforschung und Weiterentwicklung der Wasserelektrolyse im Megawattmaßstab setzen wir weltweit neue Maßstäbe im Miteinander von Wissenschaft und Wirtschaft“, sagt Prof. Rüdiger A. Eichel vom Forschungszentrum Jülich, der das Projekt federführend betreut.